PARTNERWAHRNEHMUNG  II

Für das Publikum
Der Text wird vor der Klasse gelesen. Der/die LeserIn stellt sich bewußt zuerst auf einen einzelnen Mitschüler ein, dann verteilt er/sie seine/ihre Aufmerksamkeit zwischen zwei und mehr Mitschüler im ganzen Raum. Dann versucht er/sie abwechselnd Augenkontakt mit den Einzelnen und mit der ganzen Klasse zu haben.

Das Publikum verändert sich
Die Schüler modifizieren das Lesen nach der Vorstellung des Raums und des Adressaten. Der „Theatersouffleur“ liest möglichst leise für eine nicht sehr entfernte Person und artikuliert sehr deutlich. Der Leser-Schauspieler liest laut für den ganzen Zuschauerraum. Für ein gleichgültiges und müdes Publikum wird lebendig, energisch und ermunternd, für ein ängstliches und nervöses Publikum dagegen ruhig, bedächtig und freundlich gelesen.

Text und Körper
Die TN versuchen mit Hilfe eines Trainingsprogramms (zum Beispiel nach Fitzner) ihre Selbstbeobachtung zu verbessern und ihre Körpersprache und die Raumausnutzung beim Vorlesen zu verbessern. Das Ziel der Übung soll es sein, mit Hilfe eines Beobachtungsprogramms zu erfahren, welche Ausdrucksfähigkeiten wir bereits haben, wo unsere Stärken und Schwächen liegen, und ob wir uns verbessern können.  Das nichtsprachliche Verhalten ist auf der Stufe 1 am geringsten, auf Stufe 5 am stärksten ausgeprägt.

Zwei Partner arbeiten am Text  „Wohnung zu vermieten“. Zunächst wird eine kürzere Passage nach eigener Wahl laut gelesen. Dann wird mit körpersprachlichen Mitteln versucht, den eigenen Ausdruck zu verbessern. Jeder hört sich die Textpräsentation seines Partners an, kommentiert sie und berät den Partner. Dann werden die Rollen getauscht. Anschließend wird im Plenum vorgelesen (Fitzner, zit. nach Schober 1990).

 

WOHNUNG ZU VERMIETEN

Die Katze hatte von ihrer Großmutter einen Beutel voll Geld geerbt. Da beschloß sie, ein Hochhaus zu bauen. Als das Haus fertig war, hängte sie ein Schild an die Tür:
Wohnung zu vermieten!
Es klingelte, und wer stand draußen? - Eine Maus.
Sie war sehr klein, sehr grau und sehr freundlich. „Darf ich hier einziehen?“
„Haben Sie Kinder?“ fragte die Katze.
„Leider nicht“, sagte die Maus. „Aber was nicht ist, kann noch werden.“
„Kinder sind verboten!“ sagte die Katze. „Haben Sie ein Klavier?“
„O, nein!“ rief die Maus. „Soll ich mir eines kaufen? Möchten Sie gern, daß ich Klavier spiele?“
„Klavierspielen ist verboten!“ sagte die Katze. „Und haben Sie einen Hund?“
Das war nun wirklich eine dumme Frage. Was sollte die Maus mit einem Hund anfangen?
Also durfte sie einziehen. Nach und nach zogen noch viele andere Mäuse in das Hochhaus. Aber so vergnügt wie in ihren alten Behausungen waren sie nicht. Alles war verboten: nach acht abends baden, Besuch einladen, auf dem Geländer rutschen, Wäsche aufhängen, im Treppenhaus pfeifen - es war stinklangweilig.

Im März heiratete die kleine Maus Herrn Nagezahn. Heimlich. Wegen der Katze. Er wohnte auf dem gleichen Flur, so hatten sie sich kennengelernt. Die beiden bekamen sieben Kinder.
Die Eltern versteckten die Kleinen in einer alten Einkaufstasche und trugen sie zum Luftschnappen in den Park.
Herr Flitzebein aus dem 10. Stock kaufte sich einen Plattenspieler und Herr Zitterbart ein Klappfahrrad.
Fräulein Spitzohr aus dem Erdgeschoß schaffte sich sogar einen Wellensittich an und eine Waschmaschine.
Aber alle dachten: Wenn bloß die Katze nichts merkt!

Eines Abends, als die Katze verreist war, lud Herr Nagezahn alle Mieter zu einer Kellerparty ein. Seine Kinder hatten Zähne bekommen. Das wollten sie feiern. Er spendierte ein Faß Mäusebier, Herr Flitzebein ließ den Plattenspieler laufen, dazu wurde getanzt und gesungen. Am besten gefiel den Mäusen der neueste Song: When the cat is away, the mice will play. Das heißt auf deutsch: Wenn die Katze fort ist, tanzen die Mäuse. Es war ein toller Spaß.

Plötzlich quietschte die Kellertür. Die Katze war zurückgekommen. Ihre Augen glühten. Ihr Fell sträubte sich. Der Schwanz war drohend gereckt. „Habe ich euch erwischt!“ kreischte sie. „Ihr Lotterpack! Ihr Käsediebe! Ihr faules Gesindel!“ Und mit einem Hopp sprang sie zwischen die Mäuse. Junge, Junge, so ein Schreck!

Die Mäuse rannten, jagten, stolperten, polterten, kreischten und quiekten. Die Kellerwände begannen zu schwanken. Auf einmal krachte - krabatzki - krabumm - das ganze Hochhaus zusammen.
Und was blieb übrig davon? - Ein Haufen Pappkartons, leere Katzenfutterdosen, Apfelsinenkistenholz, Plastiktüten, verrostete Nägel... Alles lag übereinander und durcheinander.

Das war also die ganze Pracht gewesen? So ein mieses Haus!
Das Hochhaus war futsch. Die Katze war blamiert. Die Mäuse pfiffen vor Schadenfreude. Dann flitzten sie davon und suchten sich eine neue Wohnung: eine Kinderwagenmatratze, die auf dem Schuttplatz lag.

                                                                                              Hanna Hanisch
  Aus: Lesespaß. Ein literarisches Materialienbuch… Langenscheidt 1991

 

 

 

 

 

Mehrstufiges Übungsprogramm für die nichtverbale Ebene des Sprechens
(nach Fitzner, zit. in Schober 1990)

 

 

1     

3

5

Stimme

Monotones, leierndes Sprechen, sehr geringe Variation in Lautstärke, Dehnung, Stimmhöhe und Sprechgeschwindigkeit;
Versprecher, „äh“.

Mittlerer Grad an Variation in Lautstärke,
Dehnung,
Stimmhöhe und
Sprechgeschwindigkeit.

Deutlicher und einprägsamer
Wechsel
in Lautstärke, Dehnung
Stimmhöhe und
Sprechgeschwindigkeit.

Blick-Kontakt

Sprecher hat die
Interaktionspartner
niemals direkt angesehen, hat ihre
Blicke gemieden.

Sprecher hat ab und zu einige wenige
Interaktionspartner
Angesehen.

Sprecher hat die Partner häufig angesehen.
Blick-Kontakt ergiebig und angemessen.

Augen

Blick wirkt gelangweilt   und schläfrig.
Die Augen werden kaum voll geöffnet.

Blick wirkt relativ interessiert. Es gibt
Ansätze, die Augen weit zu öffnen und
Aufleuchten zu lassen.

Blick ist sehr interessiert, Augen weit offen, sie tanzen, blitzen und leuchten.

Mimik

Sprecher wirkt tot, läßt keine Gefühle, Interessen, keine Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit, Konzentration etc. erkennen, lächelt selten und nichtssagend.

Sprecher zeigt Gefühle, Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit, Konzentration etc., lächelt manchmal.

Sprecher wirkt lebendig, geht emotional mit, zeigt deutlich Gefühle, Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit, Konzentration, lächelt. Der Gesichtsausdruck wechselt häufig.

Gestik /
Kopfbewe-
Gung

Keine Bewegung.
Arme und Hände sind  fest am Körper o. Tisch. Oder: Arme sind verschränkt. Sprecher hebt niemals etwas hervor / illustriert / unterstreicht durch Gestik oder Kopfbewegung. Deutet nie mit den Händen auf etwas.

Sprecher hebt ab und zu etwas hervor / unterstreicht / unterstützt / illustriert durch Gestik oder Kopfbewegung. Deutet dabei immer wieder mit den Händen auf etwas.

Sprecher begleitet /unterstützt / unterstreicht /illustriert und hebt immer wieder stark hervor durch Gestik und Kopfbewegungen, zeigt auf Dinge, wenn es hilfreich und angemessen ist.

Körperhal-tung und
-bewegung

Sprecher steht oder sitzt steif und unbeweglich, wendet sich nicht mit dem Körper zu den Zuhörern, sein Körper wirkt angespannt.

Sprecher wendet sich zu den Zuhörern, lehnt sich vor, signalisiert Interesse und Entspannung.

Sprecher geht beim Sprechen sehr stark mit dem ganzen Körper mit.
Er wirkt selbstverständlich, locker, entspannt.