Einige Texte zur Wahl

 

 

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Der Kaufmann und sein Papagei

Ein orientalischer Kaufmann besaß einen Papagei. Eines Tages stieß der Vogel eine Ölflasche um. Der Kaufmann geriet in Zorn und schlug den Papagei mit einem Prügel auf den Hinterkopf. Seit dieser Zeit konnte der Papagei, der sich vorher sehr intelligent gezeigt hatte, nicht mehr sprechen. Er verlor die Federn aus dem Schädel und wurde bald ein Kahlkopf. Eines Tages, als er auf dem Regal im Geschäft seines Herrn saß, betrat ein glatzköpfiger Kunde den Laden. Sein Anblick versetzte den Papagei in höchste Erregung. Flügelschlagend sprang er umher, krächzte und fand schließlich zur Überraschung aller seine Sprache wieder.: „Hast du auch die Ölflasche heruntergeworfen und einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen, so dass du nun keine Haare mehr hast?“
Nach Nossrat Peseschkian

 

 

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Zwei Männer, ein Bild, ein Hammer

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer.
Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will?
Gestern schon grüßte er mich so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm ja nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat.Jetzt reicht´s mir wirklich.
Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!“
Nach Paul Watzlawick

 

 

 

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Nicht versetzt

Ich kam mit einem Schulzeugnis nach Hause, in dem ein schrecklicher Satz zu lesen war, ein Satz, vor dem mein ganzes Dasein zerbrechen wollte. Ich ging mit diesem Satz große Umwege, wagte mich nicht mit ihm nach Hause, sah immer wieder nach, ob er nicht plötzlich verschwunden war, doch er stand immer da, klar und deutlich.
Als ich schließlich doch nach Hause kam, weil ich nicht die Kühnheit hatte, mich als Schiffsjunge nach Amerika anheuern zu lassen, saß bei meinen Eltern Fritz W.
„Was machst du denn für ein betrübtes Gesicht“, rief er mir zu. „Ist es ein schlechtes Zeugnis?“ fragte meine Mutter besorgt, und mein Vater blickte mich an, als sehe er alles Unheil der Welt hinter mir aufgetürmt. Ich reichte das Zeugnis der Mutter hin, aber Fritz riß es mir aus der Hand und las es schon, und brach in schallendes Gelächter aus.
„Nicht versetzt!“ rief er und schlug sich mit seiner kräftigen Hand auf die Schenkel. „Nicht versetzt!“ rief er noch einmal, während meine Eltern abwechselnd ihn verstört anstarrten, und zog mich zu sich heran, und schlug mir auf die Schultern. „Nicht versetzt! Genau wie ich!“ rief er, „ich bin viermal sitzengeblieben.“
Damit war die Todesangst zerstäubt, alle Gefahr war vergangen. Aus den verwirrten Gesichtern meiner Eltern konnte sich keine Wut mehr hervorarbeiten, sie konnten mir nichts mehr vorwerfen, da ja Fritz W., dieser tüchtige und erfolgreiche Mann, alle Schuld von mir genommen hatte und mich geradezu noch besonderer Ehrung für würdig hielt.“
Peter Weiss

 

 

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Polizeikontrolle

In einer Hauptstraße ist Polizeikontrolle aufgebaut. Der erste Wagen wird von einem der zwei diensthabenden Polizisten angehalten.

Erster Polizist           (streng): Ihr Wagen ist völlig überladen. Ich muss Ihnen leider Ihren Führerschein entziehen!
Fahrer                        (misstrauisch): Ich glaube nicht, dass das hilft. Der wiegt doch nur 100 Gramm!
Zweiter Polizist        (skeptisch): Haben Sie überhaupt einen Führerschein?
Fahrer                                   (beschwichtigend): Ja, klar! Muss ich ihn vorzeigen?
Erster Polizist           (einlenkend): Danke, nicht mehr nötig. Wenn Sie keinen gehabt hätten, dann hätten Sie ihn vorzeigen müssen.

Der nächste Wagen wird angehalten.

Erster Polizist           (freundlich): Grüß Gott! Gratuliere! Sie sind der einmillionste Autofahrer, der diese Brücke passiert hat. Sie haben tausend Euro gewonnen.
Zweiter Polizist        (neugierig): Was werden Sie mit dem Geld machen?
Fahrer                                   (treuherzig): Zuerst mache ich den Führerschein!
Seine Beifahrerin   (energisch): Glauben Sie ihm kein Wort. Er ist total betrunken!
Schwerhöriger Opa (ängstlich, aus dem hinteren Teil des Wagens): Seht ihr, ich hab´s ja gleich gesagt, mit dem gestohlenen Wagen kommen wir nicht weit!
Erster Polizist           (amüsiert): Originell, wirklich gelungen, hier sind Ihre tausend
Euro.
Zweiter Polizist        (ungeduldig): Auf Wiedersehen und gute Weiterfahrt.